
Bewusstsein ist ein Trick der Evolution. Intelligenz ist ein Trick der Evolution. Achtsamkeit ist ein Trick, die Evolution zu überleben.
Denken ist ein wunderbares Geschenk und eigentlich eine ganz einfache Sache, zugleich aber auch ganz schön kompliziert. Den definierenden Aspekt, wie denken im Zusammenhang mit Bewusstsein und Intelligenz funktioniert, möchte ich hier gleich mal auf Wikipedia outsourcen. Folgende Aspekte des Denkens möchte ich hier beleuchten:
- Was ist per Definition Wissen, was ist Spekulation?
- Die Kunst der Herleitung
- Wie kann ich Qualität von Spekulation und Halbwissen abseits von Glauben bewerten?
Wissen und Spekulation
Denken ist wie googlen. Nur krasser.

Für meine Darstellung möchte ich drei grundsätzliche Wissensbereiche definieren, um Wissen anhand der Komplexität seines Ursprungs etwas zu gliedern:
- Einen Wissensbereich A für Wissen, dass für jeden selbst einfach überprüfbar ist, als Beispiel die Tatsache, dass wenn ich zwei mal einen Finger aufhalte, ich zwei Finger abzählen kann.
- Einen Wissensbereich B, der aus A folgert, dass c2=a2+b2 (Pytagoras, wozu 10 Finger nicht mehr reichen, aber eine simple Abstraktion).
- Und einen Wissensbereich C, der aus A und B folgert, dass e=mc2 sein muss (was ich nur noch mathematisch, aber nicht mehr ohne riesiges Fachwissen und Budget experimentell überprüfen kann, wenn überhaupt).
Aus diesen Bereichen kann ich nun jeweils mit Folgerungen, Skalierungen und Zusammenhängen Spekulationen ziehen. Die Methodik, die ich dabei anwende, ist wichtig zu kennen. Es ist von erheblichem Vorteil, nicht Äpfel und Birnen zu vergleichen, wenn man seine Spekulationen nach aussen testen will. Ich bevorzuge unsere westliche, kausale Logik – möchte aber betonen, dass es verschiedene Methodiken gibt. Zum Beispiel Poesie, Musik oder paradoxe Aussagen, um zu bezeichnen, was Logik nicht fassen kann, zum Beispiel 1=2.
Stolperfalle 1: Halbwissen
Im Wissensbereich C braucht es schon erhebliches Fachwissen, um die Beweisführung der Relativitätstheorie auch selbst nachvollziehen zu können. Mit grosser Wahrscheinlichkeit vertraut man hier einem Halbwissen, das man selbst nicht auf Fehler prüfen kann, weil das absente, tiefere Verständnis des Sachverhalts das Halbwissen nicht als solches zu entlarven vermag. Meines Erachtens die gefährlichste Stolperfalle des Denkers, wenn er ein Halbwissen für Fachwissen hält: Dies ist nicht aufzulösen, solange man glaubt, zu wissen, und nicht begreifen kann, dass man glaubt. Ein A wird zum O, wobei man sich absolut sicher wähnt, in jedem Fall den Unterschied zu bemerken.
Als Konsequenz könnte man sich des Urteils für fähig halten, ob es nun möglich sei, Zeitreisen zu vollführen oder die Lichtgeschwindigkeit zu überschreiten. Es ist eine leichte From von Fanatismus.
Stolperfalle 2: Kausalitäten

Das Verständnis von Fachwissen benötigt ein verbindliches Konzept an Kausalitäten. Wenn ich den Satz des Pytagoras im Wissensbereich B zwar korrekt herleite, beim Übertrag ins Fachwissen damit aber an Kreissegmenten herum rechne und mir der falschen Kausalität nicht bewusst werde, kann ich meine falsche These ebenso wenig selbst entlarven, weil ich der Überzeugung bin, zu wissen, indem ich meinen Glauben mit inkorrekten Gesetzen verifizieren.
Als Konsequenz halte ich mein Urteil über Lichtgeschwindigkeit und Zeitreisen für gesichert. Bei Kindern nennt man das vorlaut.
Stolperfalle 3: Realitäten
Schlussendlich bleibt noch die fieseste Form der Täuschung: Der Moment des Wunders: Wenn ich, wie im Doppelspaltexperiment, nur einen Finger aufhalte, aber mit bestem Wissen und Gewissen deren zwei abzählen kann. In der Folge bedeutet das, dass ich keine Gesätzmässigkeit als absolut gesichert annehmen kann. Im Konsens eines ganzen Planeten stelle ich ein handfestes, verifiziertes Wissen fest – es als Wissen für den gesamten Kosmos zu beglaubigen ist aber nichts weiter wie Ignoranz.
Als Konsequenz davon kann eine winzige, veränderte Quantenrealität den handfesten, mathematischen Schluss der modernen Physik, das überschreiten der Lichtgeschwindigkeit sei nicht möglich, über den Haufen werfen. Es ist das immerwährende «Es kann nicht sein, was nicht sein darf».
Qualitätskontrolle des Denkens

Wenn der ehrgeizige Denker beim vergleichen von Gedanken nun all dies in Betracht zieht, muss er Universen bilden, die jeweils ihre eigenen Realitäten A haben, die bestimmten Kausalitäten B folgen und in spezifischen, komplexen Gesetzmässigkeiten C münden. Denken im Grenzbereich, das Anstellen von Spekulationen mit einer bestimmten Logik, muss im Bewusstsein geschehen, dass es sich hierbei zwangsläufig immer um Halbwissen handelt. Selbst wenn mich meine universum-immanente Logik eine Spekulation als gesichert annehmen lässt, kann eine Erkenntniserweiterung jederzeit alles über den Haufen werfen. Oder ich ignoriere sie, was meistens das Mittel der Wahl ist.
Mit dieser ständigen Unsicherheit muss ich im dritten Jahrtausend schlicht leben, ich muss meine Gedanken allzeit auf ihre Relevanz und Zuverlässigkeit prüfen, wie ich das mit Google tue. Nur eben krasser. Die Zeit der kollektiven, geistigen Krücken ist vorbei, jeder zimmert sich sein eigenes Universum, seine eigene Krücke, womit sich auch die grosse Herausforderung des dritten Jahrtausends auftut.
Kommunikation von Halbwissen
Denken wird dann vor Allem spannend, wenn es sich gegenseiteig befruchtet. Leider kommt es dazu viel zu selten, weil Menschen im Streit um kontextloses Halbwissen stecken bleiben. Man möge sich diese Grafik etwas anschauen, in der ich versuche, die Vernetzung und Relativierung meines eigenen Universums rudimentär darzustellen. Die Haupteckpunkte bilden die vornehmlichen Einflüsse der alten und neuen Wissenschaften (Religion, Mystik und moderne Aufklärung) plus ein beliebiges Denksystem.

Jedes eigene Universum geht von eigenen Realitäten, Kausalitäten, komplexem Wissen und eigener Logik aus. Wenn ich anfange, mit Halbwissen Vergleiche anzustellen und diese unstimmig ausfallen, tue ich gut daran, als erstes die dahinter stehenden vier Grundparameter dermassen einzustellen, so dass ein Ver- oder auch Abgleich überhaupt Sinn macht. Um das zu veranschaulichen, erforsche ich die einfachste und die komplexeste Frage.
Was sind 1+1?
Auf diese erste Frage wird mich die ganze Welt auf die Antwort «zwei» einschwöhren und es gäbe keinen kaum Gründe, dies zu hinterfragen. Freigeistige Beobachtung jedoch zeigt, dass, als Wunder bezeichnet, das Ergebnis auch «vier» sein kann, was die moderne Physik mit 1=2 bestätigt. Adam und Eva wie auch Erde, Luft, Wasser, Feuer kann ich nicht in den Vergleich einbeziehen, weil das Vokabular, die Sprache, die innere Logik des Basiswissens sich schlicht nicht in eine vernünftige, direkte Relation setzen lässt. 2+3=23 folgt einer ganz eigenen Insel-Logik, die sich selbst mit wohlwollendster Philosophie nicht einbinden lässt, was mit Adam und Eva noch einigermassen möglich ist.

Also stelle ich mein Universum am Besten auf ein Basiswissen, das diese Zustände kennt (als mathematische Folgerung aus dem Artikel; die Zahlenspiele sind nicht in mystischem Kontext gedacht):
- entweder ist [ 1+1=2 ] oder [ 1+1=4 ] (vorausgesetzt, dass [ 1=1 oder 1=2 ], aber nicht [ 1=1 und 1=2] )
- falls [ 1=1 und 1=2 ] möglich, dann gilt auch 1+1=3
- es gilt nicht 1+1=1, und nicht 2+3=23 (unter hiesigen Voraussetzungen weder schlüssig, sinnvoll oder verbreitet)
- Eine mögliche philosophische Brücke zu Adam und Eva oder Mystik kann weitere, systemisch bestätigende oder entkräftende Indizien liefern.
- Nach Fragestellung könnte die Antwort auch lauten: «zwei Zahlen mit verknüpfendem Operanden». Absolut korrekt und beweisbar, aber mit einer komplett anderen Logik betrachtet, deren Folgerungen direkt zu vergleichen sinnfrei wäre.
Ist Gott ein Wer oder ein Was?

Per Definition muss diese Antwort auf spekulativem Halbwissen beruhen. Wie es scheint, ist selbst jenen, die die Frage abschliessend beantworten könnten, eine Antwort unmöglich, weil die nötige Kommunikationsform dazu erst mit dem Verständnis der Antwort selbst entsteht. Wer die Antwort geben könnte, wird nicht verstanden, weil niemand die selbe Sprache spricht, der die Antwort nicht schon kennt. Ein hübscher Schutzmechanismus im übrigen, mit dem sich das Göttliche vor allzu Ungöttlichen schützt.
- Ein Universum, das auf Adam und Eva beruht, in dem Moses das Meer teilt und Jesus als Ikone Gottes einziger Zögling ist, beinhaltet auch zwangsläufig eine Logik, in der Gott eine Persönlichkeit besitzt, die an der Basis strafend, in den höheren Erkenntnissen liebend ist. Meiner Wahrnehmung nach ein Modell, das sich häufiger finden lässt, ein klassiker der Manipulation – Despoten machen es in den Anfängen nicht anders. Die Systemimmanenz dieses Universums disqualifiziert sich damit als direkten Erkenntnislieferant.
- Die 42 ist dermassen willkürlich, dass sich daraus keine nachvollziehbare Spekulation ableiten lässt, ebensowenig aus der Folgerung 23=42, weil 2+3=23. Die Folgerungen aus den Wissensbereichen lassen sich nicht gegenseitig peilen, weil alles willkürlich ist. Der werte Leser mag das lustig finden, aber achtet euch mal darauf, wie viele Menschen nach solchen Gesetzmässigkeiten, uhm, «denken».
- Im Universum der klassischen Wissenschaft ist dies eine schwierige Frage, die sich so nicht stellen lässt. Die innere Logik basiert auf einem komplett anderen Modell wie die der Wissenschaft «Religion». In Anbetracht, dass klassische Wissenschaften heute die kanpp fünf Prozent Materie im Universum einigermassen erklären kann, aber von den restlichen 95 Prozent Nicht-Materie noch kaum eine Ahnung hat, ist es vielleicht auch einfach etwas zu früh für diese Frage, davon ausgehend, dass Gott da draussen irgendwo als Funktion zu finden ist. Kommt Zeit, kommt Rat. 🙂

Ich wage folgende Spekulation: Weil ursprünglich Alles und Allem eine eigene, personifizierte Wesenheit (Animismus) besass, im Zuge der Evolution schliesslich allem die selbe, personifizierte Wesenheit zugesprochen wurde (Monotheismus), und die Universen der wichtigen Wissensgeneratoren Wissenschaft (neu, mathematisch) und Mystik (alt, bildlich) nahe legen, dass es keinen Personifizierten Gott gibt, wird es wohl so sein, dass abschliessend Gott dem Göttlichen weichen wird. Auch die Fortsetzung der Entwicklung von «Alles hat eine eigene, persönliche Seele» zu «Alles hat die selbe, persönliche Seele» macht mit «Alles ist Seele» am meisten Sinn. Oder wie stellst du dir einen Gott vor, der dich morgen bestraft, weil du heute diesen ketzerischen Artikel last?
Statt tausend Thesen aufzustellen, warum wir Gott egal sind, ist es nicht einfacher, anzunehmen, dass es nur das Göttlich Funktionierende gibt, aber keinen Überhelden mit eigenen Gedanken wie «Der erfreut mich, den belohne ich, und jener verärgert mich, der wird bestraft»? Wäre das nicht wie ein dreieckiger Gott für Dreiecke?
Erforderliche Unschärferelation des Wissens
Das alles sind ganz schön viele Unwägbarkeiten und wenn man möglichst ehrenhaft bleiben will, wird einem zwangsläufig sturm im Kopf, weil es heute schlicht zu viel Wissen für einen einzelnen Kopf gibt. Es ist einfach unmöglich, alles zu wissen und zu verstehen, wir müssen mit einer Unschärferelation des Verstehens, als bekennende Halbwissende klarzukommen lernen.
Der sinnvollste Weg scheint mir, den eigenen Egozentrismus zu verlassen, das eigene Universum als eines von vielen sehen zu lernen und es nicht nur an gleichgeschalteten hochzuputschen und zu bestätigen, sonder es auch an widersprüchlichen oder gar unsinnigen fachmännisch zu reiben. So kann eine Achtsamkeitssitzung (oder Meditation) über die Gleichung 23=42 extrem selbstbefreiende Konsequenzen nach sich ziehen, obwohl (oder gerade weil?) es sinnfreier Blödsinn ist. Damit wäre auch der Schnittpunkt zu buddhistischen Paradoxa angesprochen – eine alte Wissenschaft in Bildsprache.